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Kate interview in musikexpress/sounds November 1993

From: uli@zoodle.robin.de (Ulrich Grepel)
Date: Tue, 2 Nov 93 21:13 MET
Subject: Kate interview in musikexpress/sounds November 1993
To: love-hounds@uunet.UU.NET

Hiya,

there's a Kate interview in the German music magazine musikexpress/sounds,
in the November 1993 edition. Actually this interview was done by Chrissie Iley.
If you check out you'll find that this is the same one as the one that did
appear in the Sunday Times. Reading it now actually puts the blame of that
interview away from Chrissie and onto some stooooopid editor at the Sunday
Times. The interview in me/sounds is more like a transcription, i.e. question
and answers. The Sunday Times version was more grabbing some quotes from this
transcription and putting some sneerish comments around them.

I've already transcribed the interview, but now it is German. As soon as I have
time I'll translate it, but for the subset of Love-Hounds capable of the
German language here's the German version.

Bye,

Uli

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Artikel aus 'musikexpress/sounds Nr. 11, November 1993'

4 Seiten. 1. Seite: Bild mit Kate's Kopf, auf dem ein blau-gruender Vogel
sitzt. Die weiteren 3 Seiten haben jeweils einen Kasten mit Bild(ern) und
Bildunterschriften.

2. Seite: Bild mit Kate im Leotard (Japanisches TKI-Cover)
Gerade 20 war sie, als sie die ersten Wellen schlug - nicht nur mit ihrem
LP-Debuet, sondern auch mit dem begleitenden PR-Foto. Fotograf Gered Mankowitz
hatte ihr ein duennes Leibchen verpasst, das es in sich hatte. "Es war nicht
sexistisch", so Mankowitz, "Kate ist fuer mich eine erotische Frau, die auch so
dargestellt werden sollte." Das Poster, das 1978 auf jedem Londoner Bus klebte,
war ein derartiger Blickfang, "dass die Leute auf der Strasse stehen blieben,
um das Bild anzustarren".

3. Seite: 6 Bilder - 3 aus 'Cathy', die Rueckseite der Experiment-IV-Maxi,
Kate zuhause und Kate mit Hut (Hut hat weiss-gelb-grauen Rand mit schwarzen
Symbolen): Das programmierte Wunderkind: Katie Bush als ambitionierter
Backfisch (l.) und als reifer Jahrgang. Vom kuenstlerisch aufgeschlossenen
Elternhaus gefoertdert, spaeter von David Gilmour (Pink Floyd) tatkraeftig
unterstuetzt, war der Weg zur Musik schnurgerade vorgezeichnet. Ihren
ausgepraegten eigenen Kopf hatte Kate Bush, wie die Jugendbilder beweisen,
schon in jungen Jahren. Auch heute noch macht sie - von der Aufnahme der Musik
bis zur Regie der Videos - alles selbst. Wuensche der Plattenfirma sind
willkommen, werden grundsaetzlich aber nicht beruecksichtigt.

4. Seite: Plattencovers: TKI, LH, NfE, TD, HoL (Single!), TSW: Sechs Alben in
15 Jahren ist Kate Bushs quantitativ eher magere Ausbeute. Auch qualitativ
liegen Welten zwischen den Platten: Die fruehen Alben wie "The Kick Inside",
"Lionheart" und "Never For Ever", bevoelkert mit Hexen, Zauberern und
daemonischen Liebhabern, klingen heute doch schon leicht angestaubt. Mit "The
Dreaming" (1982) hingegen beginnt eine Phase, in der Bush inhaltlich wie
musikalisch auf den Punkt kommt, ohne dabei ihr Gespuer fuer akustische
Extravaganzen und Expeditionen zu verlieren. Das neue Album "The Red Shoes",
fuer Oktober angekuendigt, erscheint am 1. November.



                             musikexpress
                    ---------------sounds---------

                           I N T E R V I E W

Dass man einem 16jaehrigen Maedchen einen hochdotierten Plattenvertrag gab, war
schon ungewoehnlich. Dass Kate Bush mit ihren hochgradig versponnenen Songs
auch noch Erfolg hatte, war vor 15 Jahren aber die eigentliche Sensation. Mit
der noch immer notorischen Einzelgaengerin, die nach vierjaehriger Pause wieder
an die Oeffentlichkeit tritt, sprach in London Chrissie Iley.

                                ----.
                          | /   |   |
                     Kate |\    |--<   Bush
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                                ----'


ME/SOUNDS: Du bist dafuer beruechtigt, dir fuer ein neues Album so viel Zeit zu
nehmen, wie du es fuer richtig haeltst - gleichgueltig[,] ob deine Plattenfirma
von einer Ohnmacht in die andere faellt. Wie ist dieser lange Arbeitsprozess
erklaerbar? Musst du dich erst in einer spezifischen Stimmung befinden?

BUSH: Das ist ein Vorgang, den man mit Worten kaum beschreiben kann. Als ich
juenger war, ging's voellig unkompliziert: Ich setzte mich ans Klavier und
versuchte[,] einen Song zu schreiben. Das waren glueckliche Momente - und
deshalb wollte ich bei diesem Album aehnlich vorgehen. Aber je laenger du dich
mit einem Song beschaeftigst, desto mehr entwickelt er eine Eigendynamik. Das
ueberrascht mich immer wieder: Du faengst etwas an - und schaust dann staunend
zu, wie der Song ein Eigenleben entwickelt, wie sich kleine Ideen und
Veraenderungen einschleichen, ohne dass du sie noch bewusst kontrollierst. Und
diese Erfahrung wiederum veraendert dich selbst. All das ist sicher ein Grund,
warum meine Platten so lange brauchen. Aber ich bin dankbar fuer meine Arbeit,
vor allem wenn es in deinem Leben Tiefschlaege gibt, die du auf diesem Wege
verarbeiten kannst.

ME/SOUNDS: Kleine Fluchten also?

BUSH: Ich weiss nicht, ob man das eine Flucht nennen kann. Ich sturze mich
nicht in meine Arbeit, um dem Leben zu entkommen. Meine Arbeit bestimmt mein
Leben - und umgekehrt. Sehr persoenliche Erfahrungen fliessen in die Arbeit
ein, waehrend meine Arbeit wiederum eine sehr persoenliche Erfahrung ist.

ME/SOUNDS: Wenn du eine traumatische Erfahrung hast: Kannst du sie dann
problemlos verarbeiten und in Musik umsetzen - oder bist du in deiner Arbeit
voellig blockiert?

BUSH: Das haengt von der Art der Erfahrung ab. Normalerweise kann ich mich aus
einem Stimmungstief selber herausziehen, ohne dass meine Arbeit dadurch
beeinflusst wird. Aber es gab sicher auch Erfahrungen, wo ich einfach nicht
mehr arbeiten, vor allem nicht mehr singen konnte. Das ist eine Erfahrung, die
wohl vor allem Saenger machen: Es gibt derart schmerzvolle Bereiche, die du
einfach nicht mit der Stimme artikulieren kannst. Die Stimme ist nun mal ein
verletzliches Gebilde, und wenn ich emotional verletzt bin, kann ich einfach
nicht singen - weil Singen und Atmen so eng miteinander verbunden sind.

ME/SOUNDS: Welche Erfahrungen, welche traumatischen Erfahrungen hast du im Lauf
der letzen Jahre gemacht - und wie haben sie sich niedergeschlagen?

BUSH: Die schlimmste Erfahrung war sicher der Tod meiner Mutter. Ich konnte
monatelang nicht arbeiten, ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie ich
wieder zu diesem Arbeitsprozess zurueckfinden wuerde. Es war einfach zu
schmerzvoll, um arbeiten oder gar singen zu koennen. Letztlich musst du
natuerlich doch damit leben und so positiv wie moeglich zu verarbeiten suchen.

ME/SOUNDS: Wie stehst du zu deinem Vater? Es heisst, dass er dich in deiner
Entwicklung sehr gepraegt habe.

BUSH: Er ist ein starker Charakter, ein wundervoller Mensch. Ich habe viel
Respekt fuer ihn.

ME/SOUNDS: Er war frueher Boxer?

BUSH: Ja, aber das sind Dinge, ueber die ich nicht sprechen moechte. Ich mag
keine Leute gegen ihren Willen ins Licht der Oeffentlichkeit ziehen.

ME/SOUNDS: Ich wollte eigentlich auch nicht in ihr Privatleben eindringen,
sondern nur die Bedeutung abfragen, die sie in deinem Leben haben.

BUSH: Die Eindruecke, die ich von meinen Eltern habe, sind sicher sehr
archetypische Bilder. Die Eltern sind im Leben eines Kindes so unglaublich
ueberwaeltigende Symbole, dass sich diese Symbolik unweigerlich auch in andere
Lebensbereiche fortsetzt.

ME/SOUNDS: Glaubst du, dass das Hirn eines Mannes genauso funktioniert wie das
einer Frau?

BUSH: Ich weiss nicht, wie es im Hirn aussieht, aber es gibt definitiv eine
weibliche und eine maennliche Energie. Idealerweise sind beide Formen in einer
Person vereint, weil sich die Gegensaetze...

ME/SOUNDS: Das ist genau der Eindruck, den ich von dir habe: Dass du manchmal
so extrem feminin wirkst, es gleichzeitig aber auch eine Hartnaeckigkeit und
Durchsetzungsfaehigkeit bei dir gibt, die absolut maennlich ist.

BUSH: Danke fuer das Kompliment. Ich kann nicht ueber mich selbst reden, aber
ich glaube, es gibt tatsaechlich viele Frauen, die ihre Kreativitaet von einer
maennlichen Energie antreiben lassen. Im Laufe der Jarhe habe ich selber die
Notwendigkeit verspuert, mich in dieser sogenannten Maennerwelt durchzuboxen.
Gleichzeitig aber hat der Feminismus, so positiv er grundsaetzlich sein mag,
die Sache der Frauen auch zurueckgeworfen. Ich kenne viele Frauen, die die
typischen Karrierefrauen verabscheuen, weil sie der Ausloeser waren, dass
klassische Ausdrucksformen weiblicher Energie heute hausbacken und dumm wirken.
Ich bin davon ueberzeugt, dass die weibliche Energie ihre eigene Staerke
besitzt und sich nicht mit fremden Federn schmuecken muss.

ME/SOUNDS: Kannst du mit maennlichen Freunden genauso reden wie mit
Freundinnen?

BUSH: Ja. Die chemische Rekation ist wichtiger als die Tatsache, ob jemand
maennlich oder weiblich ist. Zu einigen Menschen hat man einen spontanen Draht,
andere kann man nicht riechen.

ME/SOUNDS: Die traditionellen Attribute eines Mannes sind Ehrgeiz und
Rivalitaet. Sind das Attribute, die du dir auch selbst zuschreiben wuerdest?

BUSH: Ich hasse beide Woerter, weil sie einseitig nur diesen maennlichen
Wesenszug charakterisieren. Ambition? Ich habe keine Ambition, die Welt zu
erobern, aber ich habe schon die kreative Ambition, neue Ideen auszuprobieren
und moeglichst perfekt umzusetzen.

ME/SOUNDS: Man hat dich einmal als den "schuechternsten Groessenwahnsinnigen
auf diesem Planeten" bezeichnet...

BUSH: Da ist schon was Wahres dran. Wahrscheinlich sind die meisten Menschen
wandelnde Widersprueche. Ich bin eine stille, scheue Seele - aber wenn es um
meine Arbeit geht, kenne ich keine Grenzen. Nicht weil's mir um Geld oder Macht
geht, sondern weil ich besessen bin von diesem kreativen Prozess.

ME/SOUNDS: Kannst du gut schlafen?

BUSH: Wenn ich arbeite, schlafe ich fast gar nicht. 'Habe ich an alles gedacht?
Haette ich das anders machen sollen?' Wenn ich schlafen will, laufen
unweigerlich all diese Filme ab. Als wir mit den Dreharbeiten zu "Red Shoes"
(ein 50minuetiges Video, das sechs Songs des neuen Albums umfasst. - Red.)
anfingen, ahbe ich eine Woche lang praktisch nicht geschlafen.

ME/SOUNDS: "Red Shoes" ist ja eine Anspielung auf den gleichnamigen Tanzfilm
aus dem Jahre 1948. Welches Verhaeltnis hast du zum Tanzen?

BUSH: Es ist eine sehr positive, weil ernuechternde Erfahrung, wenn du vor
einem Spiegel stehst und aussiehst wie ein Stueck...

ME/SOUNDS: Wolltest du "ein Stueck Scheisse" sagen?

BUSH: Letzlich laeuft's darauf hinaus, wenn du morgens um Neun vor dem Spiegel
stehst und versuchst, mit deinem Koerper zu arbeiten. Ich hatte schliesslich
drei, vier Jahre lang nicht mehr getanzt.

ME/SOUNDS: Was hat sich im Laufe der letzten Jahre sonst noch in deinem Leben
geaendert?

BUSH: Ich denke, meine Entwicklung unterscheidet sich nicht unbedingt von der
anderer Leute. Viele Menschen, vor allem wenn sie in glueckliche Umstaende
hineingeboren wurden, werden vom Leben doch erst richtig gezwickt, wenn sie 30
oder 35 Jahre alt sind...

ME/SOUNDS: Gehoerst du zu diesen Gluecklichen?

BUSH: Nein, ich habe schon frueher Tiefschlaege zu verdauen gehabt, die dir
neue Massstaebe geben, die dich "erwachsen" machen. Aber ich glaube, dass die
meisten Menschen erst Mitte 30 mit dem Erwachsenwerden anfangen.

ME/SOUNDS: Wie alt bist du?

BUSH: Mitte 30.

ME/SOUNDS: In einem frueheren Interview hast du mal gesagt, du seist zaeh wie
Leder...

BUSH: Ich habe nie gesagt, ich sei zaeh wie Leder. Ich kann mich erinnern, dass
das in einem Interview geschrieben wurde, aber ich habe das nie gesagt.

ME/SOUNDS: Tatsaechlich?!

BUSH: Ich glaube, dass ich stark bin. Was aber nicht heisst, dass ich zaeh wie
Leder bin.

ME/SOUNDS:Man hat dir das Zitat einfach untergeschoben?!

BUSH: Ueberrascht dich das? Wenn ich heute ein Interview gebe - und ich gebe ja
nur wenige -, lasse ich einen Cassettenrecorder mitlaufen, um im Zweifelsfall
meine Version dokumentieren zu koennen. Das passiert tatsaechlich erschreckend
oft, dass Journalisten ihre Worte in deinen Mund legen, dass sie ihr Leben auf
deines projizieren. Und es sind oft genug nicht nur Worte, sondern ganze
Lebenseinstellungen, die sie dir unterschieben.

ME/SOUNDS: Und wie reagierst du darauf?

BUSH: Indem ich kaum noch Interviews gebe. Und wenn ich dann mit einem
Journalisten zusammensitze, passiert es oft, dass sie sagen: 'Du hast in einem
frueheren Interview gesagt...' oder 'Ich habe gelesen, dass du...'. Sie greifen
immer auf das zurueck, was sie schon schwarz auf weiss vor sich haben. Und sind
dann voellig perplex, wenn ich behaupte, dass ich das nie gesagt habe.
Ich kann mir vorstellen, dass Politiker darunter noch viel mehr leiden. Es
macht die maechtigsten Leute voellig hilflos, wenn man ihnen Sachen
unterschiebt, die sie nie geesagt haben.

ME/SOUNDS: Wie ist es mit den Fotos? Hat man je versucht, dich zu manipulieren,
dich in die Ecke des "huebschen, sexy Maedels" zu stellen?

BUSH: Als ich jung war, war ich halt auch reichlich naiv. Man kapiert erst
spaeter, welche Leute dich manipulieren wollen, in welche Ecke sie dich
draengen wollen. Wenn man Musik hoert, sollte man nicht durch persoenliche
Informationen ueber den Musiker abgelenkt werden.

ME/SOUNDS: Wie lange hast du an dem neuen Album gearbeitet?

BUSH: In den letzten vier Jahren habe ich vielleicht zwei konstant gearbeitet,
unterbrochen von zwei groesseren Pausen.

ME/SOUNDS: Pausen? Machst du denn Urlaub?

BUSH: Ich habe jahrelang keinen Urlaub mehr gehabt.

ME/SOUNDS: Weil du Urlaub hasst?

BUSH: Ich liebe Urlaub. Aber wenn ein Album fertig ist, schreit alles nach
einem Video, schreit nach Promotion... Es reisst einfach nicht ab.

ME/SOUNDS: Wenn du etwas anfaengst, moechtest du es bis ins letzte Detailunter
Kontrolle haben?

BUSH: Wenn ich einmal angefangen habe, gibt's kein zurueck - ja.

ME/SOUNDS: Bist du auch von anderen Dingen so besessen? Gartenarbeit? Lesen?
Bist du vielleicht auch ein kleiner Putzteufel?

BUSH: Nicht mehr. Aber ich kann Frauen in gewisser Weise verstehen, die mit
sich selbst und ihren Gedanken ins Klare kommen wollen, wenn sie ienen
Fussboden schrubben.

ME/SOUNDS: Sind Schallplatten so etwas wie Kinder fuer dich? Und wenn ja: Ist
das der Grund, warum du selbst keine Kinder hast?

BUSH: Um Gottes willen! Sicher, eine Platte zu machen ist so etwas wie eine
Geburt. Aber stell dir vor, du waerest dreieinhalb Jahre schwanger! Du haettest
die Nase vermutlich so gestrichen voll, dass du von dem Kind nichts mehr wissen
moechtest.
Nein, fuer mich zaehlt nicht das Resultat und die Reaktionen auf dieses
Resultat, sondern allein der kreative Arbeitsprozess als solcher.

ME/SOUNDS: Muss man leiden, um kreativ zu sein?

BUSH: Ich glaube nicht, dass diese Theorie Allgemeingueltigkeit hat. Ich glaube
sogar im Gegenteil, dass man auch im Gefuehl des Glueckes sehr kreativ sein
kann.

ME/SOUNDS: "Rubber Band Girl2 heisst die erste Single des Albums. Was in aller
Welt ist ein "Rubber Band Girl"?

BUSH: Es hat zu tun mit Widerstand und dem Wunsch, sich gehen zu lassen, sich
zu oeffnen, Masken abzulegen.

ME/SOUNDS: Bist du ein Mensch, dem das leicht gelingt?

BUSH: Nun, wir haben alle unsere menschlichen Beschraenkungen ... und es ist
gefaehrlich, voellig offen und verwundbar durchs Leben zu gehen. Andererseits
ist es gerade diese Furcht, die viele potentiell positive Beziehungen und
Erfahrungen verhindert.

ME/SOUNDS: Manchmal hat man den Eindruck, dass du in deinen Songs extrem offen
und verwundbar bist. Ist das vielleicht der Gund, warum du so mauerst, wenn es
um Einblicke in dein privates leben geht?

BUSH: Wieso mauern?

ME/SOUNDS: Weil du so viel von dir zurueckhaeltst - waehrend du in deiner
Arbeit dein Innenleben nach aussen zu stuelpen scheinst.

BUSH: Ich kann mir nicht erlauben, naiv zu sein. Es gibt nun mal Menschen, die
etwas von mir wollen, dabei aber keine lauteren Motive haben.

Wir sind wieder beim gleichen Thema: Es ist gefaehrlich, Aussenstehenden die
Moeglichkeit zu geben, ein Bild von dir in der Oeffentlichkeit zu verbreiten.
Ich glaube, dass viele Menschen im oeffentlichen Leben, gerade Kuenstler, daran
zerbrechen, dass die Einschaetzung der Oeffentlichkeit so gar icht mit der
wahren Person uebereinstimmt. Sie koennen oft genug nicht mehr arbeiten, weil
sich zwischen der Person und ihrem oeffentlichen Image eine unueberbrueckbare
Kluft auftut.
Ich habe dam eigenen Leibe erfahren, wie sich dieses Gefuehl in dein Leben
einschleicht, wie es von dir Besitz ergreift, wie es deiner Arbeit in die Quere
kommt. Natuerlich moechte ich, dass meine Freunde miein Innenleben kennen, aber
ich sehe keine Veranlassung, das auch in der Oeffentlihckeit breitzutreten.

ME/SOUNDS: Ich habe ja inzwischen Hemmungen, eine Frage mit der Formulierung
"Ich habe ueber dich gelesen..." anzufangen, aber ich habe nun mal ueber dich
gelesen, dass du urspruenglich damit liebaeugelt hast, Psychologe bzw.
Psychiater zu werden.

BUSH: Das ist richtig, aber irgendwann kam mal der Punkt, wo mir klar wurde,
dass mir die Voraussetzungen fuer ein Medizinstudium voellig abgingen - Chemie
und Mathematik waren in der Schule ein rotes Tuch fuer mich. Ich wusste, dass
ich es nicht packen wuerde.

ME/SOUNDS: Gibt es vielleicht sogar Parallelen zwischen einem Psychiater und
einem Kuenstler? Hat ein Kuenstler eine aehnliche gesellschaftliche Funktion?

BUSH: Ich habe noch nich drueber nachgedacht, aber Tatsache ist, dass ich gerne
anderen Menschen helfe, das ich auch fasziniert davon bin, wie andere Menschen
funktionieren. Es ist immer wieer frappierend, wie Menschen zu voellig anderen
Schluessen und Ergebnissen kommen, obwohl sie die gleichen Informationen
verarbeiten. Es ist wie eine Kettenreaktion, an deren Ende ein Resultat, eine
Antwort steht - nur ist diese Antwort von Mensch zu Mensch grundverschieden.

ME/SOUNDS: Es heisst, dass die ersten fuenf Jahre im Leben eines Menschen fuer
diese Weichenstellung verantwortlich sind.

BUSH: Das mag sein, aber ich will mich hier nicht als Experte auffuehren.
Natuerlich ist man in diesem Alter extrem empfaenglich. Andererseits kenne ich
auch genuegend Erwachsene, die ebenso formbar und beeindruckbar sind wie
Kinder.

ME/SOUNDS: Welche Erinnerungen hast du an deine fruehe Kindheit?

BUSH: Ich war maechtig beeindruckt vom Meer, bin es heute noch. Ich wollte
immer im Meer aufgehen, wollte Teil des unendlichen Wassers sein. Es war ein
unglaublich intensives Gefuehl. Dabei kann ich nicht mal richtig schwimmen.
Aber einfach am Meer zu stehen und hinauszublicken ... wundervoll! Es war
manchmal beaengstigend, aber immer ein Erlebnis.

ME/SOUNDS: Bist du ein Land-, ein Naturmensch?

BUSH: Insofern es meine Arbeit betrifft, komme ich in der Stadt gut zurecht.
Aber leben moechte ich lieber auf dem Lande. Seit ich 17 bin, habe ich
unendlich viel Zeit in abgedunkelten Studios verbracht; ich bin heilfroh, wenn
ich etwas sehe, das nicht aus Beton ist.

ME/SOUNDS: Kannst du dich eigentlich in der Oeffentlichkeit ganz normal
bewegen? Wirst du im Supermarkt von fremden Menschen angehalten und
angesprochen?

BUSH: Wenn du gerade im Fernsehen warst, wird's etwas kritisch. Es ist
frustrierend, wenn du staendig beobachtet wirst und dich nicht so verhalten und
bewegen kannst, wie du es gerne moechtest. Aber es haelt sich in Grenzen, seit
ich mir eine Peruecke und Brille aufsetze.

ME/SOUNDS: Tatsaechlich? Du verkleidest dich?

BUSH: Klar, ich bin in diesem Aufzug heute auch zum Interview gekommen und
werde so auch gleich zu den Dreharbeiten fahren.

ME/SOUNDS: Erzaehl mir etwas von dem Video. Du spielst selber mit, bist aber
auch die Regisseurin?

BUSH: Es sind sechs Songs, die mit einem roten Faden und Dialogen verknuepft
sind. Es ist mehr ein Kurzfilm als ein gaengiges Video. Es ist ein
ambitioniertes Projekt - vor allem angesichts der Tatsache, dass das Budget
recht mager ist und die Dreharbeiten gerade mal zwei Wochen dauerten. Ich
fuehle mich jedenfalls geehrt, dass so phantastische Schauspieler wie Miranda
Richardson und Lindsay Kemp mitspielen. Wenn man Vorlaeufer oder Parallelen zu
dem Film sucht, dann noch am ehesten zu der "Magical Mystery Tour" der Beatles.
Mit dem gleichnamigen Tanzfilm von Michael Powell hat "Red Shoes" nur insofern
zu tun, als auch hier die roten Tanzschuhe ein Eigenleben entwickeln und ihre
eigenen Abenteuer erleben. Aber ich moechte am liebsten noch gar nicht drueber
reden, weil wir noch mitten in den Dreharbeiten stecken. Ich hasse es, ueber
ungelegte Eier reden zu muessen.

ME/SOUNDS: Stoert es dich, dass du selber mitspielen musst?

BUSH: Stoeren nicht, aber ich stehe weit lieber *hinter* der Kamera.

ME/SOUNDS: Wenn du dich selbst im Film siehst: Bist du zufrieden mit deinem
Aussehen, mit deinem Image?

BUSH: Ich habe mich vor einer Kamera noch nie wohlgefuehlt. Es ist mir auch
ziemlich gleichgueltig, ob ich da "schoen" bin oder nicht. Es ist fuer mich
viel wichtiger, ob man *ueberzeugend* ist, ob man wirklich *meint*, was man
tut, ob es ehrlich ist.
Und das gleiche gilt auch fuer die Musik: Wenn die Hoerer fuehlen, dass du es
nicht ehrlich meinst, solltest du es besser gleich lassen.

                                                                 Chrissy Iley