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Interview Fachblatt Musikmagazin 11-85, German original

From: uli@zoodle.robin.de (Ulrich Grepel)
Date: Tue, 17 Aug 93 01:39 MET DST
Subject: Interview Fachblatt Musikmagazin 11-85, German original
To: love-hounds@uunet.UU.NET

I was sent another old Kate Bush interview, this time from the
German magazine "Fachblatt Musikmagazin" from November 85.

Uli

the following is reproduced without permission. Any transcription
errors are mine, as are any typos. I removed a few from them.
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Fachblatt MusikMagazin Nr. 11 November 1985

                            Kate Bush

                           Aufgetaucht

Mit Kate Bush hat man leichtes Spiel. Fast drei Jahre hatte sie
sich in ihr Studio zurueckgezogen, ohne ein Lebenszeichen,
geschweige denn eine neue Platte. Doch im Maerz hiess es aus den
gewoehnlich gut informierten Kreisen: Kate Bush kommt im April mit
neuer Platte nach Deutschland! Weder sie noch die Platte kam.
Immerhin, im Sommer tauchte sie mit "Running Up That Hill" nach
Jahren wieder in den Charts auf. Nach "Babooshka" konnte sie damit
den ersten Hit ueberhaupt landen und den groessten seit ihren
Anfangstagen mit "Wuthering Heights". Dieses Lied aus der "The Kick
Inside"-LP hatte die Dame 1978, damals eher noch ein Maedchen, mit
einem Schlag beruehmt gemacht. Ihre fast unnatuerlich hohe,
entrueckte Stimme und ihre typischen, kraftvollen Balladen, das war
etwas, worauf ausnahmsweise eine ach so ausgelutschte Vokabel
passte: Wunderschoen.

Dann kam, nachdem die Arbeiten zum ersten Album fast drei Jahre in
Anspruch genommen hatten, mit "Lionheart" ein allzuschneller
Nachzieher und mit "Never For Ever" ein drittes Album, das leider
auch nicht den gewuenschten Erfolg hatte. Vorher hatte Kate Bush
allerdings noch durch eine spektakulaere Tournee als
Live-Naturtalent auf sich aufmerksam gemacht. Mit einer nahezu
sensationellen Show aus Revue, Pantomime, Tanz und Gesang be- und
verzauberte die grazile Schoene ihr Publikum, und das mit
eisenharter Disziplin und Konzentration; selbst bei den
akrobatischen Uebungen sang sie live. Nur bei "Hammer Horror" kam
ihre Stimme vom Band. Leider sollte dies ein bislang einmaliges
Erlebnis bleiben, festgehalten in dem Video "Live At Hammersmith
Odeon" und auf einer hierzulande nicht erschienenen Live-LP. Danach
wurde es ruhiger um Kate Bush. Die einst von David Gilmour
entdeckte und gefoerderte Saengerin stand nicht mehr so sehr im
Rampenlicht wie zu Anfang, machte wohl auch einen langwierigen
Prozess der Identitaetsfindung durch, der auf ihrem vierten und
bisher am schwersten zugaenglichen Album "The Dreaming" seinen
Niederschlag fand. In oft duesteren Klangvisionen unternahm die
einstige Maerchenfee hier Ausfluege in die Abgruende der
menschlichen Seele. Das war vor gut drei Jahren, und nun sollte sie
also wieder auftauchen. Fuer August wurde ein neuer Interviewtermin
in Aussicht gestellt. Ein Treffen mit Kate Bush - da waere ein
jahrelanger Wunsch in Erfuellung gegangen. Ich habe, diese
persoenliche Randbemerkung sei erlaubt, wie vermutlich jeder
Journalist ein paar Traum-Interviewpartner: Brian Eno, Peter
Gabriel, Laurie Anderson, Kate Bush. Laurie Anderson war vor einem
Jahr "faellig", Peter Gabriel habe ich zwar getroffen, aber nicht
interviewt, auf Brian Eno warte ich noch, und Kate Bush...

Wieder abgesagt! Aber einen Monat spaeter gab es dann wirklich
gruenes Licht - ich sollte zur Funkausstellung nach Berlin kommen,
dort sei ein Gespraech moeglich. Wunderbar, dachte ich, setzte mich
ins Auto, eine Vorabkassette der neuen LP "Hounds Of Love" im
Recorder, und fuhr los - nicht wissend, dass zur gleichen Zeit alle
25 Interviews ersatzlos abgeblasen wurden, Stern und andere
hochkaraetige Publikationen eingeschlossen. Treffpunkt
Steigenberger Hotel Berlin, ich puenktlich und immer noch
nichtsahnend, sie natuerlich nicht da, von der Plattenfirma auch
keiner. "Kate Bush", naeselt der Mann am Empfang leicht von oben
herab, "nein, Kate Bush wohnt nicht bei uns." Im selben Augenblick
oeffnet sich neben mir eine Fahrstuhltuer - und sie steht vor mir.
Kein Manager, niemand, der mich abwimmelt, dazwischen. Ich sage
"Hallo, ich moechte gerne ein Interview mit dir machen!" Sie sagt,
sehr englisch, sehr hoeflich, sehr bestimmt: "Tut mir leid, ich
habe alle Interviews abgesagt, weil ich keine Zeit habe." Aber sie
bleibt wenigstens einen Moment stehen und rennt nicht vorbei. Du
hast keine Chance, aber nutze sie... Schwerstes Geschuetz auffahren
- der Journalist als Fan, als heimlicher Verehrer. Ob das zieht?
Ich probier's: "Hoer mal, auf diesen Moment habe ich sieben Jahre
gewartet und hab' jetzt 1000 km Autofahrt auf mich genommen.
Koennen wir das Interview nicht trotzdem machen?" Sie wieder, sehr
englisch, sehr hoeflich und ein bisschen geruehrt: "Warte hier -
ich guck' mal eben, was wir machen koennen..." Nach fuenf Minuten
kommt sie wieder, komplimentiert mich unter einem Schwall von
Entschuldigungen an einen Tisch - und legt los, erst 20 Minuten,
schliesslich fast eine Stunde. Zufaelle gibt's... "Die gibt's doch
nicht, das weisst du doch", lacht sie.

FACHBLATT: Nachdem ich ein Interview der amerikanischen Zeitschrift
"Keyboard" mit dir gelesen hatte, erwartete ich eigentlich eine
reine Fairlight-LP. Stattdessen gibt es eine Menge akustische Parts
und sogar wieder ganz ruhige Klavierstuecke, fast so wie auf deiner
ersten LP.
KATE BUSH: Interessanter Eindruck... Mir kommt es naemlich ganz
anders vor. Ich finde, es ist mein bisher am wenigsten vom Piano
gepraegtes Album geworden, weil ich beim Komponieren mehr oder
weniger ganz auf den Fairlight umgestiegen bin. Alles, was man
jetzt an Piano hoert, habe ich erst hinterher zugefuegt.
FACHBLATT: Du hast, genau wie bei "The Dreaming", wieder selbst
produziert...
KATE: Ja, ich habe nach dem letzten Album mein eigenes Studio
eingerichtet, und dadurch sind die Grenzen zwischen Komponieren,
Aufnehmen und Produzieren noch fliessender geworden. Das ganze ist
ein sehr organischer Prozess, weil alles nebeneinander und
gleichzeitig passieren kann. Es gibt keine Demos im eigentlichen
Sinne mehr. Ich nehme etwas auf der 24-Spur-Maschine auf und
arbeite damit weiter, so dass das Demo im Prinzip schon das
spaetere Master ist.
FACHBLATT: Aber das kann doch nicht immer so ganz reibungslos
ablaufen. Wieviele Versionen gibt es von einer Idee, bis ein
fertiges Stueck daraus wird?
KATE: Erstaunlicherweise hat es nur zwei oder drei Stuecke gegeben,
die noch eine dramatische Aenderung erfahren haben. Die Basis fuer
ein Stueck habe ich meist sehr schnell, die Ideen kommen oft
explosionsartig, ein paar Melodiefetzen, ein paar Textfragmente.
Aber bis das Stueck dann ganz fertig ist, kann sehr lange dauern
und haengt natuerlich von der Komplexitaet eines Songs ab. In
anderen Faellen habe ich die ganze Komposition fertig und bleibe
dann plaetzlich beim Text stecken.
FACHBLATT: Greifen wir mal ein Beispiel raus, den Titel "Hello
Earth". Da kommt erst eine sehr sanfte, von dir gesungene Melodie,
waehrend der von einem Chor gesungene Refrain dazu in einem sehr
strengen und abrupten harmonischen Kontrast steht. Das hoert sich
sehr zusammengesetzt an, als waere es nicht in einem Rutsch
entstanden.
KATE: Die "Initialzuendung" kam hier mit der Idee zum Inhalt des
Songs, die die Struktur bestimmte. Die Strophe habe ich zuerst
aufgenommen und auf den Teil fuer den Refrain nur eine Pilotspur
mit einem Piano bespielt.
Dann kamen die Musiker von der irischen Gruppe Planxty dazu und
dann der Chor.
FACHBLATT: Hattest du dafuer immer echte Stimmen vorgesehen oder
auch erst Stimmen aus dem Fairlight benutzt?
KATE: Es war immer klar, dass da ein echter Chor hinmusste. Nur die
Auswahl der Saenger erwies sich als sehr schwierig. Dieser Refrain
basiert auf einem Traditional, das ich irgendwann mal aufgeschnappt
hatte. Was ich mir vorstellte, waren nicht so sehr klassische
Chorstimmen, sondern welche, die irgendwie unheimlich und auch ein
bisschen feierlich klingen mussten. Auf der anderen Seite gab es
das Problem, keinen Druck auszuueben und die Leute so natuerlich
wie moeglich singen zu lassen, weil gerade bei Chorgesang schnell
eine posenhafte Kuenstlichkeit aufkommt. Zum Glueck kannte ich
ueber einen Gig, den ich mal mit dem London Symphony Orchestra
hatte, einen Mann namens Richard Hickox, der unheimlich viel
Erfahrung mit Chorstimmen hatte. Ich habe ihn die Saenger aussuchen
lassen. Fuer mich war das ganze eine ungemein spannende Erfahrung,
weil ich nie zuvor mit einem Chor gearbeitet hatte.
FACHBLATT: Klingt fast nach Moenchen, die sakrale Musik singen.
KATE: Klingt ziemlich religios, was?
FACHBLATT: Mir scheint der Song in der Tat eine uebertragene
spirituelle Bedeutung zu haben. Ins Fade Out sprichst du ja auf
Deutsch die Worte "Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht."
KATE: Ja, das Stueck ist der Hoehepunkt der zweiten Seite, die
einen durchlaufenden Handlungsfaden hat (dazu spaeter mehr). Es ist
sowas wie ein Fiebertraum, das Delirium, bevor der letzte Song
kommt, der ganz anders ist, von Hoffnung, Licht und dem
anbrechenden Morgen handelt. "Hello Earth" ist ueber den Punkt, an
dem du nicht weiterkannst, wo du sehr schwach bist. Und da bist du
vielleicht bereit, die Dinge zu akzeptieren, jetzt, wo du am Ende
deiner Reise angekommen bist. Du hast die Wahl: Dich zu aendern
oder weiterzumachen und zu sterben. Das hat natuerlich auch eine
religioese Komponente. Aber es faellt mir schwer, darueber zu
reden, bzw. das zu erklaeren. Waehrend der Arbeit an den Stuecken
weiss ich sowas viel genauer, wahrscheinlich, weil ich mich im
Moment des Entstehens viel staerker mit dem verbunden fuehle, was
da aus mir rauskommt. Wenn die Stuecke dann fertig sind, wollen sie
fuer sich selbst sprechen. Sie sind dann nicht mehr laenger ein
Teil von mir, sondern entwickeln ein Eigenleben.
FACHBLATT: Wie schaffst du es immer wieder, so eine starke Einheit
von Musik und Text zusammenzubringen? Ich verstehe nicht alles, was
du singst (meine Cassette enthielt keine naeheren Angaben oder
Texte), aber ich fuehle, worum es geht. Es koennen also nicht die
Worte sein. Kommen dir Musik und Textidee des Stueckes
gleichzeitig?
KATE: Ja, oft ist es so, dass ich zuerst die Idee habe, wovon ein
Song handeln soll und dann fallen mir parallel Worte und Musik dazu
ein. Bei "Hello Earth" wusste ich z.
dramatische Hoehepunkt der Geschichte sein wuerde. Dafuer musste
die Strophe sehr langsam sein und der Refrain sehr heftig. Also,
ich erklaer' mal, worum es geht. Wir reden ueber einen Sturm. Da
ist ein Mensch bei Sturm ueber Bord gegangen und kaempft eine ganze
Nacht gegen die Wellen, die Muedigkeit und die Gefahr, aufzugeben.
Zu dieser Handlung habe ich alle Stuecke der zweiten LP-Seite
geschrieben. Ein Konzeptalbum, oder zumindest ein halbes, das war
eine Riesenherausforderung fuer mich und ein langgehegter
Wunschtraum. Ich wollte mal etwas machen, wo ich nicht nach drei
Minuten mit der Geschichte schon fertig sein muss.
FACHBLATT: Auch wenn es dir schwerfaellt, kannst du noch ein
bisschen mehr ueber die Handlung erzaehlen?
KATE: Ich wuenschte, ich koennte dir einen Film dazu zeigen. Die
Bilder wuerden viel leichter erklaeren, was ich vorhatte. Da geht
also jemand ueber Bord, nachts. Er wird wahnsinnig muede, will
resignieren. Dann ziehen seine Vergangenheit, seine Gegenwart und
seine Zukunft an ihm vorbei und versuchen, ihn wachzuhalten und
durch diese nacht zu kriegen. Das sind natuerlich auch Metaphern
fuer eine sehr tiefe innere Erfahrung, nach der man am anderen Ende
als gelaeuterter Mensch wieder ans Licht tritt.
FACHBLATT: Also eine Art von spiritueller Transformation...
KATE: Ja, wie eine Wiedergeburt. Da ist einmal das aeusserliche,
koerperliche Moment, und dann ein Prozess, der im Kopf ablaeuft,
Gedanken, Reisen zu inneren Raeumen.
FACHBLATT: Wasser ist ja ein sehr vielfaeltig deutbares Symbol.
KATE: Ja, es beinhaltet auch das Gefuehl des Schwebens. Dazu kommt
hier die Nacht, das Dunkel, der voellige Verlust von Raum- und
Zeitgefuehl, die Abschirmung von allen aeusseren Eindruecken. Und
wenn sowas geschieht, kommen sehr merkwuerdige Ablaeufe im Kopf in
Gang.
FACHBLATT: Wie im Isolationstank...
KATE: Ja, obwohl ich selbst keine persoenlichen Erfahrungen damit
gemacht habe.
FACHBLATT: Hast du vielleicht "Im Zentrum des Zyklons" von John C.
Lilly gelesen, der ja als erster mit dem Tank experimentiert hat?
KATE: Gelesen leider nicht, aber ich habe Einiges ueber seine
Arbeit gehoert, das ich sehr interessant fand.
FACHBLATT: Ich fuerchte, wir kommen langsam in Bereiche, die nicht
unbedingt in eine Musikzeitung gehoeren... Reden wir also wieder
ueber deine Musik. Der Unterschied zwischen deinem letzten Album
"The Dreaming" und dem neuen "Hounds Of Love" ist frappierend. Ich
hatte immer Schwierigkeiten, mir "The Dreaming" an einem Stueck
anzuhoeren, weil es stellenweise sehr an den Nerven zerrte. Hat
sich deine musikalische und/oder persoenliche Einstellung in den
letzten drei Jahren so geaendert, dass du jetzt ein recht
zugaengliches, streckenweise poppiges Album vorlegen kannst?
KATE: Die Musik ordnet sich bei mir immer dem Inhalt der Songs
unter. "The Dreaming" war ein gefuehlsmaessig sehr intensives und
oft bewusst aggressiv klingendes Album, weil es darum ging, wie
schrecklich grausam Menschen sein koennen, was wir uns gegenseitig
antun, welchem Mass an Einsamkeit wir uns gegenseitig aussetzen. Es
war ein suchendes, fragendes Album und riss dich mit der Musik ganz
schnell von einem Punkt zum naechsten. Es rief sehr extreme
Reaktionen hervor, und es gab viele, die sich auf die Stimmung der
Platte nicht einlassen konnten oder wollten. Ich war und bin damit
allerdings sehr zufrieden, denn ich habe fuer mich damit definitiv
erreicht, was ich erreichen wollte. Ich musste selbst erfahren, was
ich da erforschen wollte, und jetzt habe ich die Erfahrung gemacht
und kann mich anderen Zielen zuwenden. Ploetzlich konnte ich wieder
tanzen gehen, habe einen Sommer ausser Haus verbracht, was ich
jahrelang nicht gemacht hatte. Dabei habe ich mich so positiv
gefuehlt, dass ich auch Songs schreiben wollte, die eine positive
Grundstimmung vermitteln. Das war eine ganz neue Herausforderung,
weil ich meine Inspirationen bis dahin eher aus schwermuetigen,
duesteren Stimmungen bezogen hatte. Aber auf einmal konnte ich mich
an Dingen begeistern, die leicht und beschwingt waren. Ich wollte
ueber die positive Kraft der Liebe schreiben und nicht mehr ueber
Menschen, die sich zerstoeren. Die ganze Energie, die sich dabei
entwickelte, uebertrug sich auch auf das Album. Dabei wollte ich
Liebe nicht nur als froehliche, lichtvolle Angelegenheit
beschreiben, sondern sie in allen, auch ihren dunklen Aspekten
zeigen. Die LP hat dadurch zwei sehr unterschiedliche Seiten
bekommen. Die erste gibt einen Ausblick auf verschiedene Formen von
Liebe und handelt durchweg von Beziehungen, und die zweite Seite
geht tiefer, darum auch das alle Stuecke umfassende Konzept.
FACHBLATT: Beide Seiten sind ja auch musikalisch sehr
unterschiedlich. Die erste enthaelt ein paar sehr tanzbare,
rhythmische Titel. Hattest du erwartet, mit "Running Up That Hill"
wieder einen richtigen Hit zu haben, oder war das nur ein schoener
Nebeneffekt?
KATE: Ich habe irgendwann aufgehoert, mir in puncto Musikgeschaeft
irgendwelche Erwartungen zu machen. Aber es ist natuerlich schoen,
wenn dann eintrifft, was man haette erwarten koennen... Ich hatte
immer schon das Gefuehl, dass es hoffentlich auch andere Leute
gibt, die meine Platten moegen, wenn ich nur ein Maximum an
persoenlichem Engagement in die Arbeit stecke. Und es funktioniert!
Ist doch toll, was?
FACHBLATT: Und warum heisst die Platte "Hounds Of Love"? Das
scheinen zwei widerspruechliche Begriffe zu sein.
KATE: Nein, das sind die Hunde, die den jagen - symbolisch
natuerlich -, der sich vor der Liebe fuerchtet, der Angst hat, ihr
in die "Falle" zu gehen. Aber es sind nicht wirklich boese Hunde,
man kann ja auf dem Cover sehen, wie sanft und schoen die "Hounds
Of Love" sind.
FACHBLATT: Empfindest du es eher als Vor- oder Nachteil, dass
zwischen deinen Alben so viel Zeit vergeht?
KATE: So kann ich die Frage nicht beantworten, weil es einfach ist,
wie es ist. Ich habe nie gesagt: Ich brauche zwei oder drei Jahre,
um eine Platte zu machen. Ich habe einfach angefangen. Wo immer
einen das hinbringt - solange es positiv und produktiv ist, gehe
ich mit. Wenn du deine Arbeit aufrichtig und mit ganzem Herzen
machen willst, wird Es dir schon sagen, was zu tun ist...
FACHBLATT: Aber draussen sagt dir niemand, ob du auf dem richtigen
Weg bist. Jemand, der alle zwei Monate eine Single rausbringt,
erfaehrt ganz schnell, wie die Kurse gerade sind.
KATE: Das ist in der Tat ein frustrierender Aspekt meiner
Arbeitsweise. Ausserdem beschaeftige ich mich gern auch mit anderen
Ideen und Projekten. Aber ich kann nicht weglaufen von dem, womit
ich gerade zu tun habe. Das nimmt meine ganze Energie in Anspruch.
Ich muss eben solche Opfer bringen, und bei mir dauert es nun mal
laenger als bei anderen.
FACHBLATT: Wann hast du mit "Hounds Of Love" angefanten?
KATE: 1983 wurde das Studio gebaut und eingerichtet, und Anfang
1984 habe ich mit der Platte angefangen, also insgesamt 18 Monate
dran gearbeitet.
FACHBLATT: In so langer Zeit kann sich viel aendern. Woher nimmst
du die Sicherheit, dass du zum Schluss das noch gut und wichtig
findest, was du am Anfang aufgenommen hast?
KATE: Naja, wenn etwas gar nicht funktioniert, weil man sich
verrant hat, muss man auch den Mut haben, da abzubrechen, selbst
wenn man schon viel Zeit und Arbeit investiert hat. Aber das kommt
mir aeusserst selten vor, und bis auf die zwei, drei Stuecke mit
gravierenden Aenderungen, die ich vorhin schon erwaehnte, haben
sich die grundlegenden Strukturen nicht veraendert. Aenderungen gab
es meist nur in den Feinheiten, wenn wir z. B. Fairlight-Geigen
durch echte Streicher ersetzt haben. Viele Fairlight-Passagen
wollte ich ja von vornherein durch echte Instrumente ersetzen.
FACHBLATT: Wer hat denn mitespielt?
KATE: Zum grossen Teil die Leute von der letzten LP, wie z. B.
Eberhard Weber, Danny Thompson, Dave Lawson, Stuart Elliott, die
Musiker von Planxty, mein Bruder, aber auch andere, wie John
Williams.
FACHBLATT: In welcher Phase beziehst du die Musiker in die Arbeit
ein?
KATE: Verschieden. Manchmal habe ich am Anfang nur ein Programm in
der Linn-Maschine, zu dem ich ein paar echte Schlagzeugspuren
einspielen lasse. Normalerweise spielen die Musiker aber auf ein
"Demo", das aus Fairlight, Stimmen und Linn-Maschine besteht. Ich
benutze allerdings auch viel Fairlight-Perkussion. Das Wichtigste
an der Arbeit mit anderen Musikern sind die zusaetzlichen
Anregungen, besonders, wenn ich vorher allein am Fairlight gesessen
habe. Da sind Einfluesse von aussen sehr hilfreich. Ich brauche das
Feedback, sonst wird es mir auf die Dauer zu langweilig. Es ist
schoen, einfach mal in ein paar andere Gesichter zu sehen.
FACHBLATT: Bekommst du ausser von deinen Musikern noch anderes
Feedback? Normalerweise steht ja noch ein Produzent daneben, der
weiss und sagt, wo's langgeht.
KATE: Gerade das ist der Grund, warum ich selbst produziere. Es
macht die Sache anstrengender, aber ich kriege am Ende genau das,
was ich will, anstatt einem anderen zu erklaeren, was ich gern
haette, der wieder dem Toningenieur zu erklaeren versucht, was ich
wohl gemeint habe. Und dann muss der Toningenieur aus Worten
Klaenge machen. Ich sage ihm direkt, was ich will, das ist
schneller, einfacher und effektiver. Es gaebe allerdings, ich sage
das mal mit aller Vorsicht, Leute, bei denen ich mir vorstellen
koennte, mit ihnen zusammen zu produzieren, aber nur, solange ich
die Einflussmoeglichkeiten behalte, die ich heute auf meine
Produktionen habe. Wie ich eben schon sagte: Bei mir bildet das
Komponieren und Produzieren im Arbeitsablauf annaehernd eine
Einheit.
FACHBLATT: Gibt es da einen direkten Zusammenhang zu deiner
"Entdeckung" des Fairlight als Dreh- und Angelpunkt deiner
Studioarbeit? Du hast ja, wenn ich mich recht erinnere, seit dem
Zeitpunkt ohne Produzenten gearbeitet, als du mit dem Fairlight
angefangen hast.
KATE: Kein direkter Zusammenhang. Ausserdem stimmt es so nicht
ganz. Ich habe auf meinem dritten Album schon mit dem Fairlight,
wenn auch nicht mit einem eigenen, gearbeitet, war damals aber erst
Co-Produzent. Den letzten entscheidenden Schritt konnte ich damals
noch nicht tun, weil mir Mut und Fachkenntnisse fehlten. Man
braucht ein enormes Mass an Kraft, um Kontrolle ueber seine eigene
musikalische Arbeit ausueben zu koennen.
FACHBLATT: Welche generelle Bedeutung nimmt Musik in deinem Leben
ein?
KATE: Musik nimmt mein ganzes Leben in Anspruch. Das ist immer ein
Riesenberg an Arbeit, die genauso lange dauert, bis die naechste
anfaengt. Musik bedeutet aber auch das Vergnuegen, die Stuecke von
anderen zu hoeren. Musik ist alles fuer mich.
FACHBLATT: Ich habe gehoert, dass du auf ECM und Windham Hill
besonders stehst...
KATE: Ja, und ich finde es gut, etwas so Schoenem wie der Musik
dieser Labels ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Windham Hill ist ja in England fast voellig unbekannt, waehrend ECM
durch Pat Metheny oder Eberhard Weber eine etwas groessere
Popularitaet geniesst.
FACHBLATT: Ich stelle mir vor, auf sehr harmonische Klaenge
bedachte Kuenstler wie die meisten von Windham Hill haben es
besonders schwer in einem so trendbeherrschten Musikmarkt wie dem
englischen. Wenn man deine Platten Revue passieren laesst, die
erste vielleicht ausgenommen, finden sich eigentlich nie Stuecke,
die einfach nur schoen sind. Irgendwann kommt immer ein Bruch.
Traust du dich nicht, einfach mal ein "nur" schoenes Stueck zu
schreiben?
KATE: Schwer zu sagen. Wenn ich schreibe, versuche ich, auf etwas
zu kommen, was mir noch besser gefaellt als die Idee vom Moment
vorher. Und wenn es sich fuer mich gut anhoert, aus dem sanften
Charakter auszubrechen, tue ich das selbstverstaendlich ohne
bestimmten Regeln zu folgen.
FACHBLATT: Wie steht's mit Auftritten? Gibt es Hoffnung?
KATE: Das ist schon verrueckt, weil ich immer gern will, aber
irgendwie klappt es nie. Bis zur letzten LP hatte ich nicht genug
Material, um mit einem komplett neuen Programm auftreten zu
koennen. Als ich die ganze Promotionsarbeit fuer "The Dreaming"
hinter mir hatte, musste ich mir ueberlegen, ob ich auf Tour gehe
oder mein Studio einrichte und eine neue Platte ins Auge fasse.
Naja, jetzt stehe ich schon wieder am Ende der Arbeit fuer die
Platte, mache Promotion, drehe Videos und eigentlich wuerde ich
jetzt am allerliebsten den besagten Film zu der zweiten LP-Seite
realisieren. Wenn das aber aus irgendwelchen Gruenden schief gehen
sollte, werde ich wieder ueber eine Tour nachdenken...
FACHBLATT: Empfindest du das ganze Drumherum gegenueber der
konzentrierten Arbeit im Studio als Stoerung?
KATE: Als stoerend nicht, aber als belastend schon. Ich versuche,
soviel Zeit wie moeglich in kreative Prozesse zu stecken. Wenn ich
mit einer Platte fertig bin, bleiben immer noch genug kreative
Arbeiten uebrig, seien es B-Seiten oder Videos, die sich dann mit
der notwendigen Oeffentlichkeitsarbeit in die Quere kommen. Ich bin
natuerlich von einem gewissen Mass an Erfolg abhaengig, um mir auch
das naechste Album noch leisten zu koennen. Und dann muss ich
leider zeitliche Kompromisse bei den Dingen eingehen, die mir
wichtiger sind. Um das soweit wie moeglich einzugrenzen, gebe ich
kaum Interview. Ich finde das auch voellig gerechtfertigt, weil ich
meine eigentliche Arbeit fuer wesentlicher halte. Der einzige
Grund, warum ich hier ueberhaupt sitze, ist der, dass ich lange
Zeit an einem Album gearbeitet habeund das mitteilen moechte. Aber
wenn ich drei Jahre damit verbracht haette, Journalisten zu treffen
und Promotion zu machen, dann gaebe es keinen Grund, hier zu
sitzen...

Andreas Hub