** REACHING OUT **

Interviews & Articles


1994
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Fachblatt Musikmagazin
"Del Palmer, Kate Bushs rechte Hand"
by Richard Buskin
January 1994
(German)


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To the Reaching Out (Interviews) Table of Contents


Date: Sun, 2 Jan 1994 19:33:00 +0100
From: uli@zoodle.RoBIN.de (Ulrich Grepel)
Subject: Interview (Del Palmer) in Fachblatt Musikmagazin 1/94

Hiya,

here finally it is, the interview with Del Palmer that appeared in the German magazine Fachblatt Musikmagazin 1/94. I've translated it, the English version directly follows the German 'original'. People wanting to learn German shouldn't pay attention to the commas in the German text, there are a lot of errors I've kept in there...

Bye, Uli


DEL PALMER

Kate Bushs rechte Hand

THE RED SHOES heisst das neue Album von Kate Bush; ihr langjaehriger Engineer Del Palmer nahm sich trotz seines vollen Terminplanes die Zeit, um dem FACHBLATT ueber die Aufnahmen des Albums und die Beitraege solch illustrer Musiker wie Clapton, Beck, B[r]ooker und Prince zu berichten.

Von Richard Buskin

Als absolut autodidaktischer Engineer und Musiker begann Del Palmer 1967 mit der Bassgitarre und spielte seither in zahlreichen Bands. Seine Taetigkeit hinter der Konsole ist nicht von so vielen Stationen gekennzeichnet, sondern begann etwa 1978 und ist speziell mit der Karriere von Kate Bush und dem Aufbau ihres Home-Studios verbunden.

Ausgehend von einer sehr einfachen Einrichtung mit einem Achtspur-Teac Recorder war dieses Studio fuer Demo-Zwecke des zweiten Bush-Albums, LIONHEART, gedacht, und Palmer wurde nur deshalb in die Arbeit involviert, "weil kein anderes Band-Mitglied die Maschine bedienen wollte". Nun, 15 Jahre spaeter, ist Del Palmer Kates erster Mann an den Fadern, und das Studio hat sich zu einer kompletten privaten Aufnahmelandschaft entwickelt.

In den angrenzenden Scheunen von Bushs Landsitz zu finden, ist dieses Studio mit einer 48-Spur-SSL 4000E-Konsole mit G-Series-Computer, zwei Sony-3324 A-Digitalmaschinen, einer selten benutzten Studer A 80 1/2-Zoll und einem Paar U-Matic-Videorecorder, die ihre Verwendung bei Arbeiten in Verbindung mit Film finden (Motion Worker System), ausgestattet.

Die Aufnahmen fuer THE RED SHOES benoetigten 18 tatsaechliche Recording-Monate, ueber drei Jahre verteilt. "Wie ueblich, begann die ganze Sache damit, dass Kate sagte: 'Ich moechte etwas tun, ich moechte ins Studio und arbeiten'", erinnert sich Palmer. "In der Anfangsphase stelle ich einen Sound fuer Kate ein, baue einige Keyboards auf und zeige ihr, wie sie mit der Konsole umzugehen hat - danach lasse ich sie alleine. Sie arbeitet solange bis sie etwas findet, und dann werden Musiker hinzugezogen, um daran weiterzuarbeiten."

Das Arbeitsverhaeltnis zwischen Palmer und Bush ist sehr klar festgelegt. Beide wissen ganz genau, was sie wollen und tun. "Es kam des oefteren vor, dass wir hitzige Gespraeche fuehrten", gibt Palmer zu. "Sie sagte: 'Ich will das machen'. Und ich erwiderte: 'Schau mal, das kannst du einfach nicht machen! Es wird nicht funktionieren!' Woraufhin sie fortfuhr: 'Gib mir nach! Tu es einfach.' Auf dem Album HOUNDS OF LOVE z.B. gibt es folgenden Part: Help me, baby, help me, baby. Dieser Part wird sehr schnell rein- und rausgeschnitten. Damals sagte sie, sie wolle das durch das Umdrehen des Tapes und dem Betaetigen der Record-Taste erreichen. Ich sagte, das wuerde niemals funktionieren. Das wuerde nur eine heillose Unordnung geben! Schliesslich setzte sie ihren Kopf doch durch - und selbstverstaendlich funktionierte es."

Bush selbst ist der Taetigkeit am Mischpult ebenfalls nicht abgeneigt, in einigen Passagen des neuen Albums legte sie selbst Hand an. "Ich liess sie manchmal fuer Tage allein, in denen sie alle Vocals aufnahm, erst dann rief sie mich an und meinte: 'Ich habe alle Vocals drauf, lass uns alles zusammensetzen'. Es gibt keine bestimmte Methode, mit der Kate arbeitet, aber generell sagt sie so etwas wie: 'Kannst du mir eine Drum-Patter geben, die so klingt?' Dann singt sie mir etwas vor und ich programmiere den Fairlight dementsprechend. Meistens sind es einfache achttaktige Loops, danach programmiert sie einen Sound in den Fairlight, arbeitet damit und kreiert eine Melodie, bis sie etwas hat und die Vocals aufnehmen will. Manchmal ist es nur ein 'la-la-la-ling', aber fast immer gibt es eine kleine Textzeile, die ihr weitere Ideen gibt und die somit Basis fuer den Song wird. Wir nehmen also einfach alles auf und es entsteht das Basis-Demo, mit dem wir arbeiten - ein achttaktiger Drum-Loop, ein Keyboard und eine ungefaehre Gesangslinie. In diesem Stadium kann Kate sagen, ob es sich lohnt, die Idee weiterzuverfolgen oder nicht. Manche Ideen der neuen Platte wurden schon in diesem Stadium ueber Bord geworfen, andere entwickelten sich noch ein bischen bis offensichtlich wurde, dass auch sie nicht funktionieren wuerden - vielleicht werden sie als B-Seiten oder Extra-Tracks Verwendung finden."

Bis zu dem THE RED SHOES-Projekt war es Tradition, die Musiker einzeln ins Studio zu holen, damit sie ihre Parts fuer das ganze Album aufnehmen konnten: als erster - nach Kate Bushs Meinung der wichtigste - der Drummer, gefolgt vom Basser (oftmals Del Palmer selbst). Diese Arbeitsweise ermoeglicht Kate, permanent die Entwicklung des Songs zu verfolgen und eventuelle Veraenderungen bei den Keyboard-Parts und den Vocals vorzunehmen. Dieses mal jedoch wurde aus den Gruenden, moeglichst schnell aufzunehmen und ein verstaerktes bandartiges Feeling zu erzielen, anders verfahren. Fuer die meisten Tracks wurden mindestens Schlagzeug und Bass zusammen aufgenommen, manchmal sogar gleichzeitig mit den Keyboards.

Palmer, der sich mehr auf die Engineer-Rolle konzentrieren wollte, entschied sich dafuer, keinen Bass zu spielen, aber dafuer die Betreuung fuer den Bassisten und Drummer ueber zehn Tage zu uebernehmen, um das Band-Feeling [zu] staerken. Eine Betreuung der Gitarren war nicht notwendig, obwohl der Song RUBBERBAND GIRL von Kate gespielte Keyboardpattern enthaelt, die wie akustische Gitarren klingen, aber gesamplet sind.

"Auf dem Stueck BIG STRIPEY LIE spielte sie sogar wirklich eine elektrische Gitarre", hebt Palmer hervor. "Sie sagte zu dem Gitarristen, der fuer uns spielte: 'Ich stehe wirklich auf Gitarre. Ich waere gern in der Lage, sie spielen zu koennen'. Er antwortete: 'Oh, hier, spiele diese (eine Fender Stratocaster) ein bisschen'. Dann zeige er ihr ein paar Akkorde und - das ist jetzt kein Witz - eine Woche spaeter stand sie vor einem Marshall-Stack im Studio! Ich sag's dir, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Es liegt in ihrer Natur. Sie spielte Lead-Gitarre, und wenn sie es niemandem gesagt haette, haette keiner gewusst, dass kein erfahrener Gitarrist am Werk gewesen war."

Ueberdosis Kompression

Der typische "Kate Bush-Sound", der sich waehrend der letzten vier Alben entwickelt hat, resultiert nicht nur aus den pulsierenden, hochatmosphaerischen Geraeuschen, die von ueberallher kommen zu scheinen, sonder[n] selbstverstaendlich auch aus Kates voellig eigener, luftiger und heulender Stimmcharakteristik. Am Anfang war WUTHERING HEIGHTS, inzwischen jedoch hat sich einiges veraendert, sowohl im Sound als auch in anderen Bereichen. "Ich persoenlich kann mir keine Credits fuer Kates Gesangssound zuschreiben", gibt Palmer zu, "weil er mir urspruenglich von einem Engineer namens Paul Arden gezeigt wurde, der mir vieles beibrachte. Er machte nie ein Geheimnis aus seiner Arbeit. Immer, wenn ich ihn etwas fragte, zeigte er es mir. Einmal konnte er eine Session nicht uebernehmen und fragte mich, ob ich das machen koenne. Ich stotterte nur: Oh, ich weiss nicht... Worauf er erwiderte: 'Worueber machst du dir Gedanken? Tu es einfach!' Er zeigte mir auch, wie ich den Sound zu benutzen hatte, den sie bei dem Album DREAMING anfingen zu verwenden. Kate liebte diesen Sound, und seither arbeiten wir so.

Grundsaetzlich gesehen, arbeiten wir mit einer 'Ueberdosis' Kompression, mit der Kate sehr gut umgehen kann. Ich denke, dass diese Methode fuer einen durchschnittlichen Saenger unmoeglich waere. Sie muss ihre Kopfhoerer wirklich extrem eng anlegen, weil der Sound ansonsten so live ist, dass er ueberall durchdringt. Wir stellen sie mit einem Neumann U47 in den Live-Teil des Studios - Kachelboden und Steinwaende, so ist es sehr, sehr live - und setzen viel, viel Kompression auf ihren Gesang. Die Kompression des SSL-Pultes ist so gewaltig und passt sehr gut zu dieser Methode. Was passiert, ist, dass du jedesmal ihr Einatmen hoeren kannst, und deshalb muss sie auf eine ganz spezielle Art und Weise arbeiten, um damit klarzukommen. Sie bewegt sich dauernd vom Mikrophon weg und arbeitet wirklich mit ihm. Zudem legen wir ein leichtes Gate auf die Spuren, denn so bekommen wir etwas von dem Raum-Sound, bevor er weggeschnitten wird - es ist aehnlich wie beim Phil Collins-Drumsound.

Wenn Kate laut singt, bewegt sie sich vom Mikrophon weg, bei den leisen Passagen geht sie wieder ran. Wenn sie einatmet, legt sie den Kopf zur Seite. Das Gain auf dem Mikro ist sehr hoch, und zusammen mit der Kompression wird die Stimme richtig hochgequetscht. Rein technisch betrachtet, ist es wirklich schlecht, wie wir arbeiten, weil enorm viel Kompression auf allem ist. Aber solche Sachen interessieren mich nicht; ich will einfach nur, dass es gut klingt. Der Punkt ist doch, dass es fuer Kate funktioniert.

Wenn es zum Mix kommt, darf man die Stimme nicht so hochziehen, wie man vielleicht annehmen moechte, weil man mit diesem Sound so viele Hoehen bekommt. Wir arbeiten wirklich an der Grenze. Manchmal gehen wir ueber die Grenze, und es klingt verzerrt oder fegt uns den Kopf weg, aber wenn wir den richtigen Punkt finden, koennen wir die Stimme runterziehen und sie wird sich trotzdem durch alles durchsetzen."

Im Schnitt nimmt Kate Bush fuenf Takes fuer jede Vokalpassage auf, und in der Regel gibt es beim Mastermix einen favorisierten Take. Die Auswahl erfolgt nach Notizen, die Kate gemacht hat; auf diesen Notizen stehen alle Textzeilen. Waehrend des Abhoerens fuegt sie kleine Kommentare hinzu. Wenn es zum Punch-In bestimmter Vocal-Parts kommt, kann es Probleme geben, wenn das Noise Gate Synchronisationsfehler erzeugt. Aber trotzdem, so sagt Palmer, faende er immer einen Weg, solche Probleme zu loesen, egal wie praezise die Arbeit sein muss. "In der Regel nimmt Kate eine komplette Passage auf, was normalerweise funktioniert - ich muss nur kleine Korrekturen vornehmen. In manchen Faellen droppe ich nur die Silbe eines Wortes ein. Durch die Schnelligkeit digitaler Maschinen klappt so etwas."

Fremdgeraeusche

Palmer betont, dass er Bushs Stimme nicht aufgrund einer unstetigen Performance bearbeiten muss, sondern wegen der oben genannten Weise, wie ihr Gesangs-Sound produziert wird - viele Nebengeraeusche kommen dabei mit aufs Band. "Es ist unterschwellig, aber auf jedem Album, bei dem wir mit dieser Methode gearbeitet haben, hoerst du ein Zirpen bei den Vokalpassagen. Es ist so live, dass alles aufgenommen wird. Manchmal, selbst wenn die roten Lichter an sind, kannst du Leute durch das Seitentor gehen und reden hoeren - dann muessen wir das Tape abschalten und warten. Zudem koennen wir oft auch nur nachts aufnehmen, weil man tagsueber die Autos vom eine halbe Meile en[t]fernten Highway hoeren kann."

Wenn Palmer und Bush mit solchen Problemen zu kaempfen haben, verlassen sich beide ganz und gar nicht auf die alte Devise, dass beim Mix alles nachgebessert werden kann. Palmer betont, dass man es wirklich im Mix rausnehmen kann. Deshalb achten beide darauf, dass alles von vorneherein richtig aufs Band kommt. Als es zum Mastermix des aktuellen Albums kam, musste einfach nur noch Gleichgewicht, Platz und ein Moment fuer alles geschaffen werden. Trotzdem gab es dabei auch Ausnahmen.

"Tatsaechlich liessen wir einige Effekte auf dem Band, die Kate eigentlich nur bis zum Mix wollte. Bei dem Song RED SHOES z.B., wenn sie die Textzeile 'She's gotta dance' singt, hoert man diesen kleinen Soundeffekt, ein wirklich hohes Delay aus einem alten AMS - Oktave oben, Oktave unten -, das durch eine Sony-M7-Digital-Multieffekteinheit geht. Wir haben daran rumgebastelt, waehrend wir den Song aufnahmen, es aber dann doch bis zum Mix behalten. Dort haetten wir es immer noch auf einen eigenen Fader legen und rausnehmen koennen, wenn wir gewollt haetten. Die ganze Sache ist davon abhaengig, wie man es aufbaut. Man muss es zur richtigen Zeit rein- und rausnehmen koennen und nicht ein oder zwei Tracks verschwenden, um es aufzunehmen."

Bei RUBBERBAND GIRL gibt es einen wabbelnden Effekt, der durch das Faden der Stimme erzeugt wird, waehrend das Stereo-Bild eines Digital-Delays darunter hochgefaded wird. "Beide Signale kommen an einen Punkt, an dem sie sich ueberlappen und das Effektsignal lauter wird. Dann wird das Gesamtsignal ausgefaded und verschwindet immer seltsamer im Hintergrund. Waehrenddessen wird die ganze Zeit ein Lexicon-224-Hall dazu addiert, um es noch entfernter erscheinen zu lassen. Bei anderen Anwendungen benutze ich einen 480 L, einen 244, einen 244 L, einen Quantec, einen Yamaha Rev 5, einen Rev 7, einen SPX 90, einen alten Eventide-Harmonizer, einen Dimension D, jede Menge Zeug also ... Ich versuche immer, den Quantec fuer die Vocals zu benutzen, weil er einen sehr kalten und eisigen Sound hat, der gut zu dem sehr kuehlen Vocal-Sound passt; er macht die Sache spezifisch.

Andererseits benutze ich einen warmen Hallraum aus dem 480 L fuer die Background-Vocals und Pianos sowie einen kurzen Raum-Delay aus einem der 244er. So habe ich einen langen und einen kurzen Hall. Auf der Snaredrum hatte ich ein Reverse-Gate aus dem Rev 7, um den Sound haerter zu machen. Alle Drumsounds kommen aus dem Sampler, einem Akai S9000, und wurden im Hauptaufnahmeraum in Echtzeit ueber Simmons-Pads eingespielt. Unser Studio ist so klein, dass es einen ganz speziellen Klang hat, und den wollten wir nicht. Wenn wir Samples benutzen haben wir nicht nur eine absolute Trennung der Sounds, sondern auch eine fantastische Auswahl. Mit dem Rev 7 ist der Sound auf jeden Fall fetter und runder. Speziell bei Songs wie SO IS LOVE und RUBBERBAND GIRL hat das gut geklappt."

Einer der signifikanten Faktoren bei Tracks wie RUBBERBAND GIRL und BIG STRIPEY LIE ist der pumpende 5-Saiter-Bass-Sound, von John Gidman mit einem G&K-Amp gespielt und in der Kueche, um den Sound von den Drums zu trennen, mit einem RE20 abgemiked. "Ich habe es so hochgedreht, dass es wirklich verzerrt war", sagt Palmer, "und fuegte tonnenweise Kompression hinzu, damit der Sound richtig pumpt. Und auch hier wieder: Er spielt so gut, dass es immer klingt, egal was du mit dem Sound machst. Er hat eine sehr leichte Spieltechnik, und ich musste den Sound speziell fuer ihn einstellen, ansonsten haette er Probleme gehabt. Ich musste es ihm ermoeglichen, leicht zu spielen, und als ich das geschafft hatte, hat es mich einfach umgehauen. Es war zu gut."

Die Gaesteliste

Mit Ausnahme des Klaviers (mit 87ern und Massenburg-Parametric-EQ aufgenommen), Fender Rhodes und Yamaha DX7 wurden alle Keyboard-Sounds mit einem Fairlight produziert. Die anderen Musiker hatten nicht viel Raum fuer Experimente, denn Bush wusste genau was sie wollte, obwohl sie Ideen und Vorschlaegen gegenueber nicht verschlossen war. Genau aus diesem Grunde zeichnete Palmer die gesamten Sessions auf, damit sie jederzeit in der Lage war, auf bestimmte Dinge zurueckzugreifen.

"Selbst wenn die Musiker aufbauen, nehme ich alles auf, falls Kate fragt, ob ich mich an die Sachen, die beim Aufwaermen gespielt wurden, erinnere. Und es ist klar, dass du sie vergessen hast, wenn keine Aufnahme existiert. Sobald also jemand im Raum ist, lasse ich die 1/2-Zoll laufen."

Alles in allem ist das sicherlich eine kluge Arbeitsweise, zumal einige der "Band-Mitglieder" nur Gaeste waren und andere nur von Zeit zu Zeit wieder auftauchten.

Der Violinist Nigel Kennedy, der seine Dienste fuer BIG STRIPEY LIE und TOP OF THE CITY zur Verfuegung stellte, wurde, auf einem Teppich stehend, in der schalldichten Kammer der beiden Haupt-Live-Raeume aufgenommen. "Die Sache mit Nigel ist die, dass er nicht still stehen kann. Er bewegt sich die ganze Zeit irgendwie umher. So entschloss ich mich nach einem Gespraech mit ihm, mit einem Paar 87er aufzunehmen. Sie sind so vielseitig, ich benutze sie fuer alles. Ein 87er war etwa in zweieinhalb Meter Hoehe vom Boden gerechnet ueber seiner linke[n] Schulter plaziert und auf seine Geige gerichtet, das andere war diagonal zu seiner rechten Schulter in einem Meter Hoehe plaziert, es zeigte zu seiner Brust. Die Geige klingt immer ein bisschen quitschig, und so setzte ich wieder den Massenburg-Equalizer ein. Wir muessen auf die Mid-High-Frequenzen achten, weil unsere Raeume so spezifisch sind, dass du einen Ton produzieren kannst, der direkt durchs Ohr geht."

Jeff Beck spielte seine Beck-Signature-Stratocaster bei YOU'RE THE ONE aus dem Kontrollraum ueber einen kleinen Amp, der unterhalb der Vorderseite der Konsole neben seinem rechten Fuss positioniert war. Das Signal wurde mit einem 87er abgenommen, welches ca. sieben Zentimeter vom Amp entfernt plaziert war und direkt darauf zeigte. "Ich sass direkt an der Konsole, die Racks zu meiner linken und Kate zu meiner rechten Seite. Jeff sass etwa anderthalb Meter hinter uns; so konnte sie ihm immer sagen, wie er etwas machen sollte. In der Zwischenzeit konnte ich die Racks und die Konsole bedienen."

Eric Clapton spielte waehrenddessen seine Signature-Strat ueber ein aehnliches Set-up fuer AND SO IS LOVE, mit dem Unterschied, dass sein Amp im Studio-Bereich plaziert war. "Was bei Leuten wie Eric Clapton meistens passiert, ist, dass sein Gitarren-Roadie schubkarrenweise Ausruestung ins Studio anschleppt. Und dann, wenn Eric auftaucht, sagst du ihm, dass du eigentlich nur seinen klassischen Sound moechtest, und er kramt seinen kleinen Combo raus."

Gary Brooker, man denke an seine ruhmreiche Procol Harum-Vergangenheit, spielte seine Hammond C3 abgemikt von einem 87er (was sonst?) ueber einen Leslie-Cabinet im Hauptraum, ein weiteres 87er befand sich drei Meter entfernt im Raum, um den Raumklang zu uebertragen. Und wieder wurden der Massenburg-Equalizer und harte Kompression eingesetzt, wodurch ein sehr fetter Hammond-Sound bei niedriger Lautstaerke erzielt wurde.

Den spezifischen Klang von Kate Bushs Studio im Kopf, entschied man sich fuer die Abbey Road 2 Studios, um den Gesang des Trios Bulgarkas flaechiger aufzunehmen. Dort standen sie um ein Paar - richtig geraten - 87er. Die String-Sessions fuer MOMENTS OF PLEASURE wurden im Abbey Road Studio 1 aufgezeichnet. Arrangiert wurde diese 20-Mann-String-Section von Michael Kamen, und das Engineering uebernahm Hayden Bendall.

"Das einzige andere, was wir in den Abbey Road Studios taten, war rein technischer Natur, wie z.B. das Uebertragen analoger Materialien auf digitale", sagt Del Palmer. "Wir begannen das Album auf 48 analogen Spuren mit zwei A80, und nach einem Jahr wurde uns klar, dass wir digital fortfahren sollten ... Wir waren uns aber nicht sicher, ob es funktionieren wuerde - wir dachten, dass wir ohne die Tape-Kompression nicht so einen guten Drumsound erzielen wuerden, aber nachdem wir diese Mistviecher eine Stunde lang in Betrieb hatten, war ich davon ueberzeugt. Sie waren einfach gut.

Mit Kates Material, bei dem du so viele Level-Wechsel hast, herrscht ein staendiger Kampf zwischen Noise-Level und Signal-Level. Aber mit digitalen Maschinen hat man ihn nicht. Man kann die leisesten Sachen aufnehmen, ohne irgendwelche Background-Noises zu haben. Tatsache ist, dass ich letztendlich mit den Pultgeraeuschen zu kaempfen hatte, die ebenfalls aufgezeichnet wurden. Schweren Herzens habe ich es so gelassen, da man mit einer durchschnittlichen Heimstereoanlage eh nichts davon hoert. Ich habe bemerkt, dass ich bei digitaler Arbeitsweise viel weniger EQ eingesetzt habe; ich musste keine Kompromisse eingehen."

Wie es sich zeigte, wurde aufgrund der Tatsache, dass man sich waehrend der RED SHOES-Sessions relativ frueh fuer eine digitale Arbeitsweise entschloss, viel des analogen Materiales durch digitales ersetzt - ausser den Beitraegen des Trios Bulgarkas und Nigel Kennedys, diese blieben analog.

"Mit der digitalen Arbeitsweise haben sich jede Menge Tueren fuer uns geoeffnet, von denen wir frueher keine Ahnung hatten. Das Resultat war, dass Kate eine wahre Flut an Ideen hatte."

Der namenlose kleine Mann

Bei einem Konzert von Prince im Earls Court liess er Kate Bush ein Zeichen seiner Bewunderung ihrer Arbeit zukommen; das war der Anlass fuer eine Zusammenarbeit. Nach staendigem Kontaktieren und seiner Zustimmung fuer die Mitarbeit bei einem Track, schickte man ein analoges Tape zum Paisley Park. Bush versuchte, ihn telephonisch zu erreichen. Ihr wurde von Assistenten gesagt, dass er "daran arbeiten wuerde". Dann, einen Monat spaeter, kamen einige Tapes vom Paisley Park.

"Er hatte aus einem von Kates Songs einen viertaktigen Abschnitt eines Chorusses genommen, einen Loop daraus gebastelt und einfach nur 48 Spuren mit allem moeglichen zugekleistert: Gitarren, Keyboards, Drums, Voices ... Ich sass da und dachte: Na klasse, das ist grossartig, aber was zur Hoelle sollen wir damit machen? Ich erstellte einen Mix und gab ihn Kate, und sie puzzelte damit monatelang herum. Wir kamen immer wieder auf dieses Stueck zurueck und mit einer Menge Arbeit machte sie aus dem Song das, was er mal gewesen war. Es war einfach verrueckt, all dieses Zeug auf dem viertaktigen Loop; da gab es keine Beziehung, keinen Sinn. Ganz nach dem Motto: Hier ist es, nimm dir, was du brauchst. Es klang so, weil sie ihm nur gesagt hatte: 'Ich moechte, dass du hier ein bischen singst und dort ein bischen.' Das hatte er auch befolgt, allerdings ueber dem Loop, das er erstellt hatte. So hatten wir zwar die gewuenschten Vocals, aber nicht an der richtigen Stelle. Wir mussten also mit den Gesangsteilen etwas puzzeln und sie dort einfuegen, wo wir sie wollten; das gleiche bei der Solo-Gitarre. Auch die Strophen mussten wir rekonstruieren, damit sie ueberhaupt wieder zu den Texten passten. Dann tauschten wir die urspruenglichen Drums gegen neue, adaequatere aus, weil es mehr ein Uptempo-Song geworden war. Ziel der ganzen Aktion war, daraus wieder ein Kate Bush-Stueck zu basteln. Und obwohl es ehrlich gesagt in vielen Belangen nicht so funktioniert hat, wie wir es uns erhofft hatten, ist es immer noch ein sehr interessanter Mischmasch-Song."

Fuer die Zukunft sieht Del Palmer jede Menge neues Studioequipment, mit dem Kate Bush in Kontakt kommen sollte, mit dem er sich aber erst naeher auseinandersetzen moechte, bevor er ihr Studio neu bestueckt und weiter ausbaut. "Ein Punkt, an dem ich arbeiten will, ist die Benutzerfreundlichkeit des Studios fuer Kate. Alles soll permanent verkabelt sein, so dass sie nur noch einen Knopf zu druecken braucht und der Fairlight oder etwas anderes faengt an zu spielen bzw. zu arbeiten. Ich werde noch einige Spielereien fuer sie finden..."

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Die auch als "Garbo des Pop" titulierte Englaenderin bietet ihren Fans auf dem ersten Album nach knapp vier Jahren Pause das gewohnte Bild: abgehobene Sounds, vertrackte Arrangements, viel Atmosphaere, ebenso vertraeumte wie gewagte Gesangspassagen, ein Staraufgebot ohnegleichen (Eric Clapton, Prince, Jeff Beck, Gary Brooker, Nigel Kennedy) und das passende Kontingent an Hits (RUBBERBAND GIRL, TOP OF THE CITY). Die staerksten Momente hat das von Kate Bush im Alleingang geschriebene und produzierte Opus allerdings fuer mich dann, wenn sie sich von ihrem unueberhoerbaren (und fuer meinen Geschmack uebertriebenen) Spieltrieb freimacht und allein zu Keyboards (MOMENTS OF PLEASURE) oder in kleiner Besetzung musiziert (YOU'RE THE ONE mit Brookers Hammondorgel, Becks einpraegsamer Gitarre und dem beeindruckenden Gesang des Trio Bulgarka) - von diesen Momenten gibt es hier allerdings viel zu wenige ... Mein Wunsch fuer das naechste Album: Weniger ist mehr!

Andreas Fuerbach


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